Nahrungsmittelunverträglichkeiten und SIBO

Warum der Darm entscheidet, was du verträgst

Viele Menschen kämpfen mit wechselhaften Beschwerden nach dem Essen. Mal reagiert der Körper auf bestimmte Lebensmittel empfindlich, an anderen Tagen bleiben die Symptome aus. Oft steckt keine klassische Allergie dahinter und auch die üblichen Tests liefern keine eindeutige Erklärung. Genau hier beginnt der Bereich der Nahrungsmittelunverträglichkeiten, die stark vom Zustand des Darms beeinflusst werden.

Der Dünndarm spielt dabei eine größere Rolle, als man denkt, vor allem wenn eine bakterielle Fehlbesiedelung (SIBO) vorliegt.

Wie unterscheidet sich eine Nahrungsmittelallergie von einer Unverträglichkeit?

Beide Begriffe werden oft gleich verwendet, meinen aber völlig unterschiedliche Dinge. Eine Nahrungsmittelallergie ist eine klare Immunreaktion, die über IgE-Antikörper vermittelt wird. Diese Reaktion tritt schnell auf und meist innerhalb von Minuten bis maximal zwei Stunden. Typische Symptome sind Schwellungen, Juckreiz, Atembeschwerden, Nesselsucht oder in schweren Fällen ein anaphylaktischer Schock. Allergien lassen sich gut durch IgE-Bluttests oder Hauttests nachweisen.

Eine Nahrungsmittelunverträglichkeit funktioniert anders. Sie ist nicht IgE-vermittelt, verläuft deutlich verzögertund betrifft meist den Verdauungstrakt. Die Symptome sind oft unspezifisch und können sich über Stunden oder Tage entwickeln. Genau deshalb sind sie schwieriger einzuordnen und werden häufig als „rätselhaft“ erlebt.

Diese Unterscheidung ist entscheidend, weil die Diagnostik und die therapeutische Konsequenz völlig unterschiedlich sind. Während Allergien eine klare Testbarkeit haben, entstehen Unverträglichkeiten häufig aus dem Zusammenspiel von Darmflora, Schleimhaut, Immunreaktionen und nicht zu vergessen – SIBO.

Typische Symptome sind Blähungen, Bauchschmerzen, Durchfall, Verstopfung, Übelkeit, Kopfdruck, Müdigkeit oder Hautreaktionen. Viele Betroffene erleben ein wechselhaftes Muster: Ein Lebensmittel wird an manchen Tagen gut vertragen, an anderen führt es zu Beschwerden. Diese Unberechenbarkeit verstärkt die Verunsicherung und oft beginnt dann die Suche nach einer „verbotenen“ Zutat.

Warum viele Tests keine klare Antwort liefern

Immer mehr Menschen bringen IgG- oder IgG4-Testergebnisse mit langen Listen angeblich unverträglicher Lebensmittel mit. Aus wissenschaftlicher Sicht sind diese Tests nicht geeignet, um Unverträglichkeiten sicher nachzuweisen. Ein erhöhter IgG4-Wert zeigt meist nur an, dass der Körper regelmäßig Kontakt mit dem Lebensmittel hatte und nicht, dass er es nicht verträgt.

Wer sich strikt an solche Listen hält, riskiert eher Nährstoffmängel als gesundheitlichen Nutzen. Eine fundierte Diagnostik ist deutlich aussagekräftiger als immunologische Schnellschüsse.

SIBO als unterschätzte Ursache von Unverträglichkeiten

Viele Unverträglichkeiten entstehen nicht durch ein bestimmtes Lebensmittel, sondern durch den Zustand des Dünndarms.
SIBO – eine bakterielle Fehlbesiedelung – gehört zu den häufigsten, aber am wenigsten erkannten Ursachen.

Bei SIBO fermentieren Bakterien Kohlenhydrate zu früh. Dadurch entstehen Gase und Stoffwechselprodukte, die Schmerzen, Blähungen, Durchfall oder Verstopfung auslösen. Der Körper reagiert dann empfindlich auf Nahrungsmittel, die er in einem gesunden Zustand problemlos tolerieren würde.

Bemerkenswert ist:
Atemtests auf Laktose- oder Fruktoseintoleranz fallen bei SIBO häufig falsch positiv aus. Viele Betroffene vertragen diese Lebensmittel nach einer erfolgreichen SIBO-Behandlung wieder deutlich besser.

Wenn also mehrere Unverträglichkeiten gleichzeitig auftreten, Symptome ständig wechseln oder man das Gefühl hat, „fast gar nichts“ mehr zu vertragen, ist SIBO ein wichtiger Verdachtsfaktor.

Wie Darmflora, Schleimhaut und Entzündungen die Verträglichkeit beeinflussen

Neben SIBO spielen weitere Prozesse eine Rolle. Eine gestörte Zusammensetzung der Darmflora, ein geschwächter Schleimhautschutz und entzündliche Reaktionen beeinflussen, wie der Körper auf Lebensmittel reagiert. Auch ein Überwuchs von Hefepilzen kann Symptome verschärfen.

Diese Faktoren sind eng miteinander verbunden. Wird der Darm an einer Stelle belastet, reagiert er an anderer Stelle mit. Aus dieser Dynamik entstehen viele Empfindlichkeiten, die auf den ersten Blick wie echte Unverträglichkeiten wirken.

Warum Stress die Toleranz verändert

Stress beeinflusst jede Ebene der Verdauung. Unter Anspannung wird der Darm durchlässiger, der Histaminabbau verläuft langsamer, das Vegetativum reagiert empfindlicher, die Magensäureproduktion unter Umständen reduziert sich, dadurch kommt die Verdauung ins Stocken.
Kein Wunder also, dass ein Lebensmittel, das gestern keine Probleme gemacht hat, heute Beschwerden auslöst.

Das Nervensystem spielt eine zentrale Rolle, und die Regulation davon gehört genauso zur Therapie wie Ernährung und Mikrobiom.

Was Betroffene wirklich weiterbringt

  1. Eine ausführliche Anamnese, die Muster sichtbar macht.

  2. Eine differenzierte Diagnostik, statt fragwürdiger Testlisten.

  3. Eine SIBO-Abklärung, wenn mehrere Beschwerden gleichzeitig bestehen oder die Symptomatik wechselhaft ist.

  4. Stärkung der Darmflora und Schleimhaut, statt pauschale Verbote.

  5. Stress und Nervensystem berücksichtigen.

  6. Individuelle Ernährung, die nicht auf Angst basiert, sondern auf Verständnis.

Der Fokus liegt nicht auf dem Verzicht, sondern auf der Ursache. Wenn der Darm wieder stabil arbeitet, verbessert sich die Verträglichkeit häufig deutlich.

Fazit

Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind selten „Schwarz-Weiß-Themen“. Die Reaktion des Körpers hängt stark vom Zustand des Darms ab und SIBO spielt dabei häufig eine Schlüsselrolle. Wer die Mechanismen versteht, findet differenziertere und nachhaltigere Lösungen als über reine Eliminationsdiäten, die meiner Erfahrung nach das Mikrobiom noch mehr schwächen.

Der Darm entscheidet, was wir vertragen. Und er lässt sich verändern.

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